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13 Marburger Treppen Tafeln

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Der Weiße Dominikaner"


Dieser Treppe mit ihrem Tor setzte Gustav Meyrink in seinem Roman „Der Weiße Dominikaner“ ein unvergängliches Denkmal


Gustav Meyrink (l868- 1932), der große deutsche Schriftsteller der phantastischen Literatur, weilte im Frühjahr 1919 in Marburg, um Material für einen neuen Roman zu sammeln. Dieser Roman sollte von einem Wiedergänger handeln, von weißen Schatten, von zweidimensionalen, seitenverkehrten Wesen. Marburg suchte er sich für seine spirituelle Recherche wegen seiner vielen Gässchen und Treppen aus. Der Atem dieser alten Stadt mit ihrer Hanglage, in der man immer neue Positionen und Höhen einnimmt, schien ihm dazu geeignet. „Kaum schaut man zu einem Hause hoch, sieht man dasselbige unter sich liegen“.

Dieser ständige Positionswechsel stellte für Meyrink die Wiederholung des Lebens dar, in dem man auch immer wieder dasselbe von verschiedensten Winkeln und Standpunkten aus erlebt. Besonders faszinierte ihn diese Treppe mit dem Dominikaner Tor. Dieses Tor stellte für ihn eine 'nie drinnen, nie draußen' Situation dar und durch seinen alten Tordurchbruch in der Stadtmauer „ein Scharnier von gestern und heute“. Er beobachtete stundenlang das Leben auf der Treppe und unter dem Tor, das Hinauf und Hinab der Menschen, das Hinein und Heraus. Auf Grund seines intensiven Empfindens dieser Ruhelosigkeit nannte er die Hauptfigur seines Romans Christopher Taubenschlag.

In diesem Roman verarbeitet Gustav Meyrink seine Marburger Erlebnisse so präzise, wie es in der Literaturgeschichte in nicht autobiografischen Romanen selten vorkommt. „Der weiße Dominikaner“ erschien 1921 und ist in seiner esoterischen Substanz Meyrinks tiefstes Werk und zählt völlig zu recht zu den Weltklassikern der phantastischen Literatur.

Mythen entstanden durch die Tatsache, dass Meyrink diesen Roman in Wasserburg am lnn ansiedelte und nicht in Marburg, was die Literaturwissenschaft bis heute noch nicht geklärt hat.


Literatur:

Gustav Meyrink, Der weiße Dominikaner, Zürich 1926.
C.G. Jung, Der Wert und das Tor , Zürich 1926.
Bayrische Staatsbibliothek, Meyrink - Briefe und Dokumente, München