logo museum der unerhörten dinge

Oh Poseidon . . .

Herbst 2023
Ich buche, Bahn und Fähre, reserviere für eine Nacht ein Zimmer auf der Hochseeinsel Helgoland. Im Zug zum Schiff bekomme ich einen Anruf aus Helgoland. Helgoland sei nicht erreichbar. Der Fährbetrieb sei eingestellt. Sturmwarnungen, schwere Böen an allen Nordseeküsten. Alles was Poseidon auf Lager hat, scheint er einzusetzen, um zu verhindern, dass ich wohlbehalten, friedlich Helgoland erreiche.
Ich nehme es persönlich!

…...............................................,

poOh Poseidon was machst du da?

Warum lässt du es nicht zu, dass ich dein Meer befahre. Nur ein wenig wäre ich auf deinem dir eigenen Gewässer, ein kleiner Hüpfer nur, ein Katzensprung. Warum Poseidon verhinderst du's? Was hab ich dir angetan? Was willst du mir mit deinem wilden Tun hier sagen?

Welcher mir unbekannter Ärger macht dich zum Wüterich, dass du mit solcher Wucht verhinderst, dass ich über deine Hochsee auf diese Insel komme? Warum musst du solch starke Gewalten mit deiner unerschöpflichen Macht entfachen, um mich daran zu hindern?

Welch göttlich Angst treibt dich dazu? Du Gott! Ich weiß darum, ihr alle seid, dort oben im Olymp, von Eifersucht getrieben, von permanenter Furcht besessen, nicht der Größte unter euch zu sein.

Aber du Gott der Meere, was will du von mir, der ich nur ein kleines sterblich Landwürmchen bin. Selbst nicht fähig, deine Wellen, dein Ungestüm der Winde, diese deine göttliche Macht auch nur annähernd zu begreifen? Welch einseitig Spiel spielst du da mit mir! Mach dein Ungemach mit deinen göttlichen Kolleginnen und Kollegen aus und lass mich mit deinem Ungestüm in Ruhe.

Was treibt dich an, dich auf mich zu stürzen? Was soll das, dass du verhinderst, dass ich die kleine Hochseeinsel ein erstes mal erreiche?

Hast du nichts anderes zu tun, als mir kleinem Menschenkind zuzuschauen, wie ich nun leide?

Stößt du dich selbst nicht von deinem hohen Thron, wenn du so viel Aufwand treibst, um mich, den kleinen Sterbling, deinem unsteten Willen zu unterwerfen? Machst du dich nicht klein und mickrig klein, wenn du dich mit mir machst gemein?

Was soll das sein, was soll das, du Gott der Meere?

Nur weil ich mich auf deiner nördlich gelegenen See bewegen will und nicht in einer deiner Pfützen, wie du zur Ostsee sagst, dass ich keinen Sonnenurlaub an deinem Mittel- oder Zwischenmeer buchen werd, um dort zu plantschen, sondern jetzt im Herbst auf der Nordsee zu einer Insel will, nicht mal lang, nur kurz, zu einer deiner Hochseeinseln. Aber nein. Du musst mit all deiner göttlich grossen Kraft die Stürme schicken, die Wellen hoch und höher wälzen, damit ja kein Schiff es wage, auszulaufen, um mich zu übersetzen.

Was ist los mit dir, bist du nicht mehr der Unerschrockene, der vor nichts hat eine Angst? Was hast du plötzlich Schiss vor mir, dass ich etwas entdecke auf dieser Insel, was dich infrage stellt?

Verbirgst du dort etwas vor mir?
Was hast du dort, was ich nicht erfahren soll?
Was ängstigt dich, dass ich es sehen könnt, ich es entdecke?
Ich glaub dir ja, dass du der Ozeane Herrscher bist, dass du der Meister aller Meere bist, Gebieter jeglicher Gewässer.
Was fürchtest du vor mir, warum machst du dich gemein mit mir so kleiner sterblichen Kreatur?

Ich glaub es nicht!

Sag an, hier gleich und unverzüglich, was bangt dir vor mir? Was tat ich dir an, dass du mich mit so viel Aufwand, mit voller Kraft, hinderst auf diese Insel zu gelangen?

Ich glaub es ja, dass du der Starke bist, der Hengst, dass du der Größte bist, dass du den längsten Atem hast, um einzutauchen in die Wogen aller Meere. Niemand spricht dir's ab, das Reich, das du dein Eigen nennst. Niemand will es dir je nehmen. Keiner deiner elf Mitbewohner des Olymp stellt dir dein Reich in Frage, stellt dein mächtig Reich als madig dar. Alle lassen bewundernd dir dein Reich. Geschweige denn wir kleine Menschenschar auf diesem verlorenen Planeten hier, wir ehren dich, wir bringen jeglich Opfer dir.

Wir stimmen voll dem großen Dichter* zu und sind recht froh, dass du die Aufgabe der Verwaltung der Gewässer übernimmst und das Wetter dort in deinem großen Reich verantwortungsvoll berechnest. Und alle sind mehr als nur zufrieden mit deinem Tun. Du bist da gut, ja einzigartig, der beste Verwalter aller Zeiten und am Ende des Planetentags, kurz bevor er rein rutscht in das ewig schwarze Loch, wirst du wie vorgesehen alle deine Meere an einem Tag, am letzten Tag, befahren. (*F. Kafka)

Ich weiß es ja, ihr alle zwölf, in eurem Olymp, seid alle von der gleichen Götter Brut. Ihr habt es gern, es freut euch sehr, dass wir hier auf dieser kleinen Erde das Böse, das ihr euch gegenseitig wünscht, für euch hier ausgehandelt seht, dass hier bei uns euer furchtbarer Hader zur Aus- und Aufführung gelangt.

Stellvertretend für euch alle sollen wir es tun, zu eurer Freud, in eurer ungesättigten Gier. Wenn wir bis aufs Blut uns quälen, schänden uns in eurem Namen, wenn wir uns bös und böser an uns selbst vergehen, feixt ihr, habt Freude ihr und eure Lust, uns dabei zuzusehen, was wir uns angetan. Wenn wir dann, geschunden von den Taten, die ihr uns auferlegt, die wir für euch in eurem Namen taten, müde sind, am Boden liegend nicht mehr können, wenn all unsere Kräfte schon verbraucht und unser Blut schon ausgelaufen, dann zieht ihr immer euren gemeinsten Trumpf. Die Hoffnung gab ihr uns, als allerletztes, sie war ganz unten, ganz am Boden der unheilsamen Büchse. Das Ganze nur, um all die auferlegte Qual, euer gnadenloses Böses, um euer bitter Spiel, nicht aufzugeben, damit ihr weiter an uns eure zynische Unterhaltung habt.

Oh, Poseidon was bist du ein armer Wicht, ich seh dich schon mit deinem zynisch bösen Lächeln, die Mundwinkel hochgezogen in deiner bitter verzogenen Visage, wie du entspannt dich freust an meiner herben Enttäuschung, dass ich die Insel nicht erreichen werd.

Wenn du mit deinem lächerlichen Dreizack in der Luft rum fuchtelst und tobend tödliche Stürme damit erzeugst. Wenn du diese deine Gabel ins Wasser stößt und damit Leid und Tod durch deine Wellen bringst, was macht dir daran Freud?

Was bist denn du für ein kleiner Lusch! Denn wenn es darum geht, für dein so böses Tun die Verantwortung zu übernehmen, dann tauchst du ab.

All ihr Götter allesamt seid Drückeberger, kleine Hampelmänner, von Angst getrieben. Wenn ihr gestellt werdet und gefragt, was ihr getan, dann drückt ihr euch, versteckt euch, weicht dem treffenden Blicke aus, macht dann euch klein bis zur Unkenntlichkeit und dies alles nur, damit wir euch nicht belangen soll'n. Dann meint ihr mit eurem Sinnen, mit euren Taten, nichts mehr zu tun zu haben. Eure Erbärmlichkeit ist kaum zu übertreffen. Ihr seid so niederträchtig.

Oh Poseidon warum bist du auch so feige.

Seid ihr Götter in eurer bösen Niedertracht gestellt, dann redet ihr euch auch noch raus. Plötzlich wollt ihr Götter keine Götter mehr gewesen sein. Plötzlich sagt ihr, dass wir Menschen der Meinung sind, ihr Götter seid nur Gestalten unserer Einbildung, ihr seid nur eine einfache Projektion von uns Menschenkinder. Wir hätten euch erschaffen, ganz nach unserm Bilde.

Oh ihr Gottheiten, wie infam, wie arg feige seid ihr doch. Habt ihr das denn wirklich nötig? Wenn wir von eurer Gnade sind, von euch erschaffen, ein Abbild euer selbst, wie seit altersher bekannt, dann habt ihr uns eure Gedanken eingepflanzt und nun seid ihr zu feige, zu euren Taten auch zu stehen. Schiebt euer böses Tun uns in die ausgelatschten Schuh. Ihr sagt, wir hätten euch entthront! Wie sollte man Götter denn entthronen? Das ist die billigste aller eurer Reden, die faulste aller Ausreden aus eurer erbärmlich fiesen Götter Welt.

Und du Poseidon, du bist der Ober-Stoffel, der Hinterhältigste, der als Erster schreit: „Ich habe damit nichts zu tun, mich gibt es nicht, so sucht mich doch, wo bin ich denn. Die Wellen sind's. Die Wetterlage. Das Azoren Tief. Das kontinentale Hoch“. Oh Gott, mir graut vor dir.

Poseidon, wenn du nur sagen würdest, warum du persönlich willst verhindern, dass ich die Hochseeinsel betreten kann? Steh doch einfach zu deinem Tun.

Was geht denn dein Dauerstreit mit deinem Bruder Zeus mich an?

Ich bin nicht der, der deinem Sohn, dem Kyklop Polyphem, sein einziges Auge ausgestochen. Ich habe deinen Sohn nicht geblendet mit meiner List. Ich bin beileibe nicht Odysseus, an dem du deine ganze Wut auslassen musst.

Oh Gottheit, was ist das für eine Angst in dir, dass du es machst wie es Kinder tun und musst die Angst nach außen hin verlagern und mich damit belegen, um dich an mir zu rächen. Was ist diese Angst, die du in mir siehst, dass du so viele Taten unternimmst, um zu verhindern, dass ich auf diese Insel kann?

Was ist denn dort, was ich nicht sehen soll, was ich nicht wissen darf, was du verborgen hältst vor mir?

Ich sage dir aber, ich warne dich, dass ich nicht aufzuhalten bin, dass ich die Insel doch betreten werd, dass dieser Zeitpunkt kommt und ich dort auch finden werd, was du mir vorenthalten willst.