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Der Blick des Kindes


Nun ja, ich verstehe ihn schon, den skeptischen Blick des Kindes, des Neugeborenen. Da stehen drei fremde Männer, diese Herren, vor ihm und hinter diesen Dreien, sehr bedrohlich, weitere Männer, lauter Krieger im Harnisch. Was haben diese vor? Das Kind schaut weg von ihnen. Spürt es die Einschüchterung, die einer Erpressung gleicht? Was soll und will die ganze Männerhorde, diese Herrenschar, was haben sie vor, die Aufgerüsteten, die immer Siegreichen, niedermachend, was ihnen im Wege steht? Nicht diese Herren beflecken ihre Hände, sie berühren nur Purpur, Diamanten und edles Gewirk. Das Blut ihrer Gegner beschmutzt ihre Häscher, über die sie massenhaft verfügen und befehlen.
Selbst Ochs und Esel haben die Situation begriffen, fressen und saufen ganz schnell aus ihrem Trog, man weiß ja nie, was sich da noch zusammenbraut. Gutes lässt sich da nicht ahnen.

Der Vater hat sich verzogen, verdünnisiert kann man dazu auch sagen, er ist nirgendswo zu sehen, auszumachen, ist er weg? Hat er sich verdrückt in seine Schreinerwerkstatt, als die Herrschaften angerückt mit Ihrem Heer?
Die Mutter bleibt, sie stillt ja noch, bei ihrem Sohn und schaut etwas hilflos aus der Wäsche. Ein Auge blickt auf ihren Sohn, das andere auf die Schatulle, oder blicken beide auf das Gold?

Er, das neunmalkluge Kind, schaut hoch zur Mutter als ob es sagen wolle: „Mutter, wenn denn dein Name geheiligt werden soll, dann lass dich ja nicht blenden von den drei Herrn. Diese drei sind Alphamännchen, sie kennen nur ihr eigenes Interesse. Da mag er noch so sehr auf seine Knie fallen und sogar seine Mütze ziehen vor dir und mir. Dies macht er alles nur, wenn es ihm dient, wenn es ihm nützt. Die andern Zwei, sie stehen noch und werden auch gleich knien, wenn es zu ihrem Nutzen angebracht. Mutter, lass dich ja nicht blenden, schau sie dir doch an. In Teuerstem gekleidet, mit Hermelin und Muschelseide, selbst Stoff aus Vogelfedern ist an ihnen kein bisschen fremd. Teuer und protzig laufen sie herum und merken nicht, dass andere Menschen hungernd darben auf ihrem Weg hierher. Mutter, was wollen sie von dir, von mir? Noch kann ich nicht ganz unterscheiden zwischen mir und dir. Sie sagen, dass sie hörten, dass Sternengucker, Magier und die ganze Priesterschar, dass alle mir eine große Zukunft voraussehen. Sie seien, sagen sie auch nebenbei, Könige des Reichtums. Aus allen Herrgottsländern kämen sie und investieren dort, wo es sich lohnt. Nun Mutter, huldigen sie mir und uns, weil sie diese Huldigung als gut angelegtes Tun verstehen. Wenn wir nun nehmen, Mutter, ihre Peanuts, die für sie nur ein kleiner Klacks sind, dann sind wir mit ihnen von der Partie, dann haben wir von ihrem Tisch gegessen, dann sind wir aufgenommen und eingeweiht in ihren Kreis. Dort gibt es kein Entrinnen. Mutter, ich werde dir noch viele Schwierigkeiten bereiten, sieben nie heilende Schmerzen werde ich dir machen, du wirst Tausende von Jahren dafür verehrt, aber dies hier Mutter, das lehne ab.“

Wie die Geschichte ausgeht, wissen wir bis heute nicht, hat sie die Geschenke angenommen oder abgelehnt, darüber wird klugerweise nicht berichtet.

(Bild: Anbetung der Könige, Pfarrkirche Heiligkreuz bei Hall in Tirol >> / Foto: anton.prock >> / >> )