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Des Teufels Pferdefuß
oder
wie der Teufel zu seinem Fuße kam.

Des Teufels Problem ist, dass, wenn er mit uns Menschen in Kontakt treten will, er sich in eine irdische Gestalt verwandeln muss. Wie alle Geisteswesen ist er von seiner Natur her für Menschen nicht sichtbar. Es gibt aber für Geistwesen verschiedene Möglichkeiten, mit den Menschen in Kontakt zu treten. Sie können ihnen erscheinen, in dem sie in einem inneren Bild auftauchen, in Grotten stehen, in Gruben erblickt werden oder in Träumen erkannt. Sie können von Menschen Besitz ergreifen, aber auch in andere Lebewesen fahren, selbst Gegenstände wie Steine oder Pflanzen sind vor ihnen nicht sicher. Im Normalfall treten bei den Befallenen, bei den in Besitz genommenen, auf Grund von Identitätszweifeln Symptome der Verwirrung auf, die Gekaperten zweifeln plötzlich an ihrem Selbst. Dies ist meist von der Umwelt wahrnehmbar und dem eigentlichen Sinn, nämlich der Kontaktaufnahme des Geisteswesen mit dem Menschen, nicht förderlich.


Aus diesem Grund hat ein Geistwesen auch die Möglichkeit, sich die Form eines irdischen Wesens anzueignen, sich mit einer Hülse zu umgeben, mit einer Sichtbarkeit, einer Art umgekehrtem Tarnmantel. Welche Form das Wesen auch annimmt, es kann damit mit den Erdenwesen in Kontakt treten und mit ihm scheinbar als Gleicher agieren, ohne sofort erkannt zu werden.


Bei diesem Verfahren ist zwar die Erscheinungsform perfekt, der Hacken dabei ist nur, wenn Geisteswesen Menschengestalt annehmen, bleiben Attribute ihres sonstigen Daseins sichtbar. Die einen haben Flügel, die anderen brennende Herzen, wieder andere leiden an Durchsichtigkeit u.s.w..
Des Teufels Problem ist, dass, wenn er Menschengestalt annimmt, einer seiner Füße die Form eines Pferdefuß annimmt. Tritt er als Getier auf, als sprechender Pudel, als Äpfel verteilende Schlange, oder sonst wie, haftet ihm kein Merkmal eines anderen an.


In früheren, in alten Zeiten, in den ersten Jahrhunderten, als er die Menschen in Menschengestalt besuchte, versuchte er es mit einem Vogelfuß, mit einem Hahnenfuß, später entlieh er sich von dem Gott Pan einen Ziegenfuß. Überhaupt schaute er sich von dem griechischen Wald- und Wiesengott Pan so einiges ab: das Schmeichelhafte, wie auch das Panik auslösende, das Lässige, wie auch die Wutausbrüche.


Bei solchen Wutausbrüchen, Zornesanfällen stampft der Teufel reflexartig auf die Erde, so heftig und kraftvoll, dass nach seinem ruckartigen Verschwinden nur noch sein Fußabtritt von seinem Vorhandensein zeugt.


Der erste eindeutige Pferdefußabdruck des Teufels wird aus Ingolstadt bezeugt. Im Jahre 1040 soll der Mönch Peterus Albertus mit dem Teufel ein Abkommen geschlossen, dessen Inhalt nicht überliefert ist, und dabei den Teufel übel überlistet haben. Eine Ende des 19. Jhd. datierte Schrift nennt als Uhrzeit des Vertrages, der mit Blut unterschieben wurde, zusätzlich als Zeit „die 20 vor der Elf“. Im Jahre 1050 soll Peterus Albertus in Winterthur, 71 jährig, nachdem er den Pakt mit dem Teufel gebeichtet hatte, mit den Segnungen der Heiligen Kommunion, friedlich eingeschlafen sein.


Dieser erste Pferdefußabdruck ist leider nicht erhalten. Ingolstadt wurde in der danach kommenden Zeit von den Ungarn mehrmals erobert und bis auf die Grundmauern zerstört. Erst um 1200 herum begann man die einst blühende Stadt wieder aufzubauen.


Des Teufels Pferdefuß verschwand die nächsten Jahrhunderte zu Gunsten des Ziegenbockfußes.Der Ingolstädter Pferdefuß Auftritt blieb eine frühe Episode. Erst in der Renaissance, durch den aufkommenden Humanismus, wo die Städte immer wichtigere Zentren wurden, trat der Teufel wieder mit seinem Pferdefuß auf. Es ist anzunehmen, dass die Pferde inzwischen eine wichtigere Funktion inne hatten als Ziegen, die ab der damaligen Zeit immer mehr als arme Leute Tiere gesehen, abgetan wurden. Ein echter Teufel geht immer mit der Zeit und humpelt ihr nicht mit einem Ziegenfuß hinterher.


Das erste Mal wurde des Teufels besonderer Fuß in einem Bild von Albrecht Dürer abgebildet. Das Bild „Ritter, Tod und Teufel“ von 1513 gilt als die erste Abbildung des Teufelspferdefußes.


Seit dieser Zeit tritt der Teufel fast überall mit einem Pferdefuß auf. Menschen, die ihm begegneten, berichten von seinem Pferdefuß, in unzähligen Romanen und Theaterstücken wird er beschrieben und dargestellt, hunderte Abdrücke seines Pferdefußes sind überall im Lande dokumentiert. In Sprichwörtern wird bis heute vor ihm gewarnt, „vertraue keinem Pferdefuß“, „bei schmeichelhaften Personen schaue immer auf den Pferdefuß“, „Die Sache hat einen Pferdefuß“.


Eine Ausnahme sind die Alpen. Dort, z.B. in Tirol, tritt der Teufel bis heute mit dem Ziegenfuß auf. Es ist anzunehmen, dass dies ganz pragmatische Gründe hat. Ein geübter Ziegenfuß ist in den steilen, steinigen Gebirgsgegenden, auf Geröllhängen besser zu gebrauchen als ein attraktiver, eleganter Pferdefuß.


Selbst heute noch, wo der Teufel scheinbar nicht mehr so oft in Erscheinung tritt, spricht man noch immer von dem Pferdefuß, der sich in Verträgen versteckt. Denn meist wird mit dem Teufel ein Vertrag ausgehandelt und für die Hilfeleistungen, die er erbringt, wünscht er sich eine Seele. Doch immer wenn der Teufel überlistet, betrogen oder geprellt wird und ihm sein versprochener Lohn nicht gegeben, er also übel hintergangen, zum Narren gehalten, wird, bekommt der Teufel eine Teufelswut und hinterlässt einen Pferdefußabdruck, der dann Teufelstritt genannt wird. Das Interessante daran ist, dass es meist beschlagene Hufabdrücke sind, aber nie von einem Teufelshufschmied berichtet wird.


Ab Anfang des 20. Jahrhundert wird immer seltener von ernsthaften Teufelsauftritten berichtet. Sei es, dass des Teufels Lust an den Menschen abnimmt, er Anderes bevorzugt, oder dass er gar nicht mehr erkannt wird. Es wird auch von der Möglichkeit gesprochen, dass der Teufel, der ja alle Moden mitmacht, im Zuge der allgemeinen Geldwirtschaft nicht mehr Seelen verlangt, sondern Geld, Beteiligungen, Anteile. Er sei heute international aufgestellt. Mit dem Gewinn seiner lukrativen Geschäfte soll er sich heute seine Seelen einfach kaufen. Es gäbe einen großen Markt. Das Günstige an diesen Geschäften ist, dass dem Geld nie angesehen wird, durch welche Kanäle, durch welche Finger es einstmals floss.
Wer fordert denn heute bei einem Vertragsabschluß den Geschäftspartner auf, seine Hosenbeine hochzuziehen, um seinen Fuß überprüfen zu können, und da in der heutigen Geschäftswelt Verträge zu beider Nutzen geschlossen und eingehalten werden, hinterlässt nun kein geprellter Teufel seinen Tritt.


Manchmal aber, wenn man genau schaut, besonders bei Schnee . . . Merkwürdigkeiten sind da vom aufmerksamen Betrachter zu sehen.

 

Literatur:
S. Meier, Die Zahlen in ihrer Beutung, Berlin 2000
G. Tielde, Vom Unsichtbaren zum Sichtbaren, Freiburg 1989
P. Erept, Von betrogenen Teufeln, Mönchengladbach 1967
M. Frieberg, Von Pferdefüßen in Verträgen, 1958