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mao tse-tungWie sich Mao Tse-tung zum Hl. Antonius von Padua wandelte
oder
Von den frommen Bauern aus Xi Mu Lan aus der Provinz Fujian

 

Die Christianisierung Chinas war immer mit dem Schatten einer unterdrückenden, gewalttätigen Religion behaftet. Die westlichen Eroberer kamen mit Priestern und Kanonenbooten. Eine der wenigen Ausnahmen waren Benediktiner-Missionare, die sehr erfolgreich Ende des 19. Jahrhunderts die Küstenregionen gegenüber der Insel Formosa, die Provinz Fujian, weitgehend missionierten.


Als aber christliche Mönche, während des Ersten Weltkriegs, junge chinesische Burschen mit falschen und gelogenen Versprechungen nach Europa lockten, um sie dann in einem sinnlosen Krieg als Kanonenfutter zu benützen, besannen sich viele christianisierte Chinesen ihrer buddhistischen Tradition und kehrten dem Christentum angewidert den Rücken. In vielen Orten wurden die Priester verjagt, des Landes verwiesen.

Ein kleiner Ort mit Reisbauern in der Provinz Fujian, fast der geografische Mittelpunkt der Provinz, ein Ort mit dem Nahmen Xi Mu Lan, bekannte sich zum römisch katholischen Glauben und behielt ihn auch, als sich alle anderen Nachbardörfer vom Christentum abwandten.

Warum sollten sie sich denn schon wieder umgewöhnen, nun wieder die buddhistische Lehre annehmen? Die Leute von Xi Mu Lan hatten sich an das Christentum gewöhnt, versammelten sich regelmäßig in ihrer kleinen Kapelle, die dem Hl. Antonius von Padua geweiht war, um zu beten und zusammen mit einem Priester die Messe zu feien. Es waren fromme und anständige Leute, geachtet von den Menschen der anderen Dörfer, wenn auch öfter etwas belächelt, als etwas verschroben betrachtet mit ihrem Glauben, aber harmlos.

Die Erschütterungen des langen Marsches, der Revolution, die Aufhebung aller Werte, die Errichtung der kommunistischen Volksrepublik, ging alles in allem, problemlos an ihnen vorüber, fast spurlos, vorläufig kümmerte sich niemand um dieses unbedeutende, abgelegene Dorf.

Als Mao Tse-tung 1966 die große Kulturrevolution ausrief und Massen von meist fanatisch auf­-gewiegelten jungen Menschen begeisterte, bekamen auch die Bewohner von Xi Mu Lan Besuch von auf Zerstörung eingeschworenen Rotgardisten. Unter dem Kampfspruch „Krieg jeglicher Überlieferung“ hörten sie von den frommen Leuten des Dorfes und setzten sich das Ziel, dies Dorf religionsfrei zu machen, dort ein Exempel zu statuieren, ein Tribunal gegen jegliche Religiosität, für einen wissenschaftlichen, klaren Sozialismus. Es sollte an den katholischen Christen gezeigt werden, zu was die Roten Garden fähig sind. Die buddhistischen Dörfer sollten es sich noch einmal überlegen und ihre Buddhas freiwillig zertrümmern und nicht warten, bis die Gardisten kämen, um die Arbeit zu übernehmen.

Zweiundzwanzig Rotgardisten unter ihrem Führer Zhuo She stürmten in das Dorf und fanden die Bevölkerung fast vollständig in der total überfüllten Antonius-Kapelle kniend beten.

Als die Rotgardisten in die Kapelle stürmten, die Mao Bibel mit den Händen hochhaltend, glühend, pöbelnd, Slogans rufend, wurde ihnen Platz gemacht, ein Korridor öffnete sich, so dass sie plötzlich auf das feierlich verehrte Bild auf dem kleinen Antonius-Altar schauten.

Schlagartig verstummten sie. Denn dort stand ein Bild des jungen revolutionären Mao Tse-tung, wie er voll revolutionärer Entschlossenheit auf den Betrachter zuschreitet. Eine Hand zur Faust geballt, in der andern einen Schirm tragend, die Berge Chinas unter sich, hinter sich lassend.

Die Rotgardisten erstarrten, schauten auf die Umstehenden, die in einer erniedrigenden Haltung da standen, den Rücken gebeugt und mit einer einladenden Handbewegung, als ob sie die Gardisten einluden mitzubeten, auf das Bild wiesen.

Schweigend verließen die Gardisten die Kapelle, das Abbild von Mao Tse-tung blieb auf dem Altar.


Was war geschehen:
Der junge illegale Priester, Tung Tsedu, erinnerte sich an die Ikonendiskussion und erklärte den Bauern, dass man sowieso keine Bilder anbeten sollte, dass Bilder nur für etwas stehen. Warum sollte man denn nun nicht ein so schönes Bild, das so eine heilige Figur darstellt, die dem Heiligen Antonius so ähnlich ist wie selten ein Bild, warum sollte man denn nicht mit diesem Bild den Heiligen Antonius verehren? Dass andere in diesem Bild jemand anderen sehen, den Kommunisten Mao Tse-tung, dafür könnten sie ja nichts, für sie aber könnte es ja der Heilige Antonius sein. Es wäre sicher gottgefälliger, wenn man den Heiligen Antonius in dieser Gestalt verehrt, als gequält und erniedrigt zu werden und gezwungen, den wahren Glauben zu verleugnen.

Die Roten Garden sahen es als ihren Erfolg an, dass die Bevölkerung sich derartig zum Führer der Revolution bekennt, zwar etwas naiv in der Form aber vorbildhaft. Einige Wochen später wurde das Dorf ausgezeichnet als besonders der Revolution ergeben. Es folgten nun nach den ersten Auszeichnungen noch viele andere. Es wurde bald ein Vorzeigedorf.

Über die wahren Hintergründe dieses Bildes wurde unter der Hand oft gemunkelt, aber die revolutionären Kräfte hatten in ihrem Eifer für solche Spitzfindigkeit keine Zeit. Ihre revolutionäre Stärke brauchten sie für Eindeutigkeiten und Klarheit.

10 Jahre später wurde die Kulturrevolution für beendet erklärt. Die Bewohner von Xi Mu Lan hatten sich inzwischen an ihren schönen Antonius von Padua gewöhnt, so dass sie ihn stehen ließen. Und so steht in der Kapelle bis heute das Abbild des Mao Tse-tung und an ihm, mit ihm und durch ihn wird der heilige Antonius von Padua verehrt.

 

Literatur:
Mao Tse-tung, Die Worte des Vorsitzenden, Peking 1978
M. Charlotus, Heiligenbilder mit Geschichte, Regensburg 1990
L. Hummel, Die Widmung in Glaubensprozessen, Ottobeuren 1957