logo museum der unerhörten dinge

 


Joseph Beuys und die Dubrow-Krise

Über Wirtschaftswerte

Als 1969 der Film „Die Dubrow-Krise“ des Regisseur Eberhard Itzenplitz, im ersten Deutschen Fernsehen gezeigt wurde, war Joseph Beuys elektrisiert.

Der Film, eine Politsatire, handelt von dem fiktiven Dorf Dubrow in Mecklenburg, das plötzlich durch ein Neuerfassung der Grenze der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) nicht mehr zu dessen Territorium gehörte und dadurch, über Nacht, dem Staatsgebiet der Bundesrepublik Deutschland (BRD) lag.

Um den Ort Dubrow wurde in einer Nacht und Nebel Aktion die Grenzanlage der DDR zur BRD abgebaut, und hinter dem Dorf, zur DDR hin versetzt, wieder aufgebaut. Dubrow lag dadurch außerhalb des Zonen-Grenze. In dem Film wird exemplarisch gezeigt, was nun mit dem Dorf passiert, das, allein gelassen, dem Kapitalismus ausgeliefert ist. Wie die „Krähen“ aus dem Westen in das Dorf einfallen, jeder „Westler“ es besser weiss, welche Diplomatischen Verstrickungen und Verwicklungen entstehen, wie Expertenrunden im Fernsehen massenhafte hilflose Worte über diesen Vorfall produzieren.

Von heute aus betrachtet ist dieser Film eine kluges Vorspiel, eine Vorwegnahme, eine Art Modellanordnung von dem, was genau 20 Jahre später, im Großen, wirklich geschah: Der Fall der Mauer mit all seinen merkwürdigen und verwirrenden Folgen.
Der Film wurde 1969, nahe der Grenze zur DDR, in dem Dorf Prezelle, im niedersächsischen Landkreis Lüchow-Dannenberg, gedreht. Das Gemeindegebiet von Prezelle grenzte an die innerdeutsche Grenze, grenzt an Sachsen Anhalt.
Bei den Filmaufnahmen spielte die Dorfbevölkerung aktiv mit, wie sie auch akzeptierte, dass Teile ihres Dorfes in ein DDR Dorf umgestalten wurde. So wurde zum Beispiel der traditionelle Dorfkrug zu einen Kulturhaus des Sozialismus.
Die Konsumwaren, die in dem Film zu sehen sind, waren echte Konsumartikel aus der DDR. Für westdeutsche Gemüter sahen sie besonders urig aus, in einer naive Weise, unverschmückt, es entstand dadurch eine merkwürdige Dopplung: Auf der Verpackung stand drauf, was drinnen war.
Es eine Warenästhetik, die es in Westdeutschland seit kurzen nicht mehr gab. Käufliche Dinge so zu präsentieren, galt als ineffektiv, antiquiert, altmodisch und überholt, sie erweckte aber aber bei vielen nostalgische Gefühle.

Josef Beuys, damals noch Professor an der Düsseldorfer Kunstakademie, war von diesem Film fasziniert. Er besprach ihn regelmäßig mit seinen Studenten, entwickelt Theorien in seinen Vorlesungen, worauf er besonderen Wert auf die „klare Ästhetik“, auf die „einfache ungekünstelte, direkte Ästhetik des Waren Konsum“ der DDR wert legte.

Ein damaliger Student von Josef Beuys rückblickend: „Damals, - ich entstamme der DDR, - war gerade mal 5 Jahren im Westen, verstand ich gar nicht was er meinte, ich empfand das alles als abwegig, verstand überhaupt nicht wie man die unseligen Verpackungen des DDR Alltages als schön, und als Kunstwerke sehen konnte“.

Die folgenden Jahre, war Josef Beuys sehr mit seinem Rausschmiss aus der Düsseldorfer Kunstakademie durch den Minister Präsidenten Joseph Rau beschäftige, was damit endet, dass Beuys der Auflösung des Arbeitsverhältnisses, 1972, unter der Voraussetzung akzeptiert, dass er sein Atelier den legendären „Raum 3“ in der Akademie behalten könne und den Professorentitel weiter führen durfte.
Den Film „Die Dubrow-Krise“ vergaß er nicht mehr, immer wieder erinnerte er in vielen Diskussionen und Theorieabenden an diesen Film.

Joseph Beuys wurde 1980 eingeladen, im Museum für Moderne Kunst in Gend / Belgien, eine Installation zu errichten. Nun war es endlich so weit, er konnte die ganzen Assoziationen die er zu dem Film hatte, endlich umsetzten. Schon seit 1976 arbeite er an dieser Idee zu einem Kunstwerk, das nun zur Realisierung kommen sollte:
Er stellte zwei große Eisenregale in einem Rechteck auf, und in die Regalen standen Alltagswaren der DDR. Atta, Kristallsacharin, Kunsthonig, Soßenpulver, Zigartettenschachteln, etc. Er nannte seine viel beachtete und mit Recht mit Begeisterung aufgenommen Installation „Wirtschaftswerte“.

Die Edition Staeck, brachte über den dem Werkkomplex „Wirtschaftswerte“ eine Serie Multiples mit Waren die in dem Regal lagen, heraus. Versehen mit dem Beuys'schen „Hauptstromstempel“ , und zum Teil mit einen handschriftlichem Zusatz. Diese Multiple sind heute noch in der Edition im Angebot, oder werden auf Kunst Auktionen hochpreisig gehandelt.
Diese viel beachtete Installation, von allen Seiten hoch gelobt, enthusiastisch beschrieben, bewundert, öffnete damals für Beuys auch die Innerdeutsche Mauer. Ein Jahr später hatte er von Oktober bis Dezember 1981 seine erste Ausstellung in der DDR, (in der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland in der Hannoverschen Straße 28–30, in Ost-Berlin.)

Bei keinem Interview zu seinem Werk „Wirtschaftswerte“, erwähnte Beuys den Film „Die Dubrow-Krise“ des Regisseures Eberhard Itzenplitz, der ihn zu „Wirtschaftswerte“ inspirierte.

Charity Scribner, der viel über „Requiem for Communism“ arbeitet, meint, dass es sich bei den „Wirtschaftswerte“ durch den mangelnden persönlichen Bezug des Westdeutschen Kaufmannssohnes Beuys zu den Ostprodukten eher um eine Verwendung „falscher Souvenirs“ als um Relikte im Sinne Archäologischer Gegendstände handelt. Er sagte auch, dass die Produkte zudem mit Zement gefüllt wurden, um dem Verfallsprozess entgegenzuwirken.

Die „Wirtschaftswerte“ des Films „Die Dubrow-Krise“, die Requisiten des Films, die Ausstattung des 'Konsums', wurde nach den Dreharbeiten von vielen Dorfbewohnern von Prezelle vor dem Wegwurf gerettet, und als Andenken an die Dreharbeiten zuhause aufbewahrt. Das eine und das andere ist bis heute im einen oder anderen Haus noch zu finden.