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kartoffelDas Rätsel von versteinerten Kartoffeln

 

Bei den Hochlandindianern von Peru nannte man sie Papalolilaa, was so viel heißt wie „eine vom Himmel gefallene Kartoffel“. Sie dienten einerseits als Kultgegenstände, als Glücksbringer, häufig findet man sie auch als Grabbeilagen, anderseits wurden diese Steine in Kartoffelform aber auch bei kriegerischen Auseinandersetzungen als Wurfgegenstände benützt. 1687 berichtete der spanische Eroberer Carlos Moreno von einem Steinhagel von sehr präzise geworfenen Kartoffeln, die so hart wie Stein waren und einigen Schaden unter seinen Soldaten anrichteten.

Wie es zu diesen Steinen in Kartoffelform kommt, war lange Zeit unklar und gehörte zu den vielen Geheimissen der Natur.

Als Anfang des 19. Jahrhunderts durch die Systematisierung der Wissenschaft die Welt immer mehr erklärt und entzaubert wurde, tat man anfangs die steinernen Kartoffeln als Laune der Natur ab. In E. F. Schlotheims Buch, „Beschreibung merkwürdiger Kräuter-Abdrücke und Pflanzen-Versteinerungen“ von 1804, kam die steinerne Kartoffel nicht vor. Aber bereits zehn Jahre später veröffentlichte Johann Mayersohn in „Zu Stein gewordene Knollen und deren Vorkommen“ eine Beschreibung von versteinerten Kartoffeln. Er beschreibt zutreffend, dass in allen Kartoffelanbaugebieten Steine in Kartoffelform auftreten, dass es sich hierbei um eine Versteinerungsform der Kartoffelknolle handeln musste.

Später wurde eine Versteinerung von Kartoffeln wieder verneint, weil Versteinerungen in geologischen Zeiten auftreten und in Europa sowieso nicht vorkommen könnten, weil es sie früher hier nicht gab, wo sie, die Steine, aber zu finden sind.

Als sich in den 1960 Jahren die Erkenntnis über Erdplatten, über die Tektonik der Erde durchsetzte, wurde die Versteinerungstheorie wieder aktuell.

Hartwig Müller-Frank beschreibt in seinem Buch „Als die Kontinente eine Einheit waren - der Urkontinent Gondwana“, dass die Tatsache, dass die Versteinerungen von Kartoffeln in allen Kontinenten zu finden sind, der entscheidende Hinweis sei, dass alle Kontinente einmal einen einzigen bildeten. Dass die Kartoffel als eine der ursprünglichsten Pflanzen überall wuchs und daher in der versteinerten Form auch auf allen Kontinenten zu finden sei. Warum sie sich später, als sich die Erdplatten trennten, nur in Südamerika halten konnte, müsste noch geklärt werden, aber die Tatsache, dass sie heute wieder auf allen Kontinenten ohne Schwierigkeiten wächst, heimisch wächst, sei auch ein Indiz für ihr ehemals weltweites Vorkommen, und heute sei ihre Verbreitung eine Art Rückeroberung angestammten Vegetationsraums.

Erst 1999 gelang es der Deutschen Biogeologin Brigitte Lembke, das Geheimnis um die Steine in Kartoffelform aufzuklären.

Nicht geerntete Kartoffeln können unter bestimmten Bedingungen verkieseln und sich so in Steine umwandeln. Bei der Verkieselung von Kartoffeln werden die kartoffeleigenen Mineralien durch einen Imprägnierungsprozess mit Hilfe von Kieselsäure ausgetauscht. Es ist die erste beobachtete Schnellverkieselung. Brigitte Lembke gelang es unter idealen Laborbedingungen, eine Schnellverkieselung einer Kartoffel in nur zwei Jahren zu dokumentieren. Der hohe Stärkeanteil der Kartoffel ist dafür verantwortlich, dass die Kartoffel ihre eigne Farbe erhält. Der Nachweis einer solch schnellen Verkieselung führte zu einer heftigen Debatte unter Versteinerungsexperten, ob nicht auch bei anderen Pflanzen Schnellverkieselungen vorkämen, was fatale Folgen für alle gängigen Theorien hätte. Bisher konnte aber dieser Prozess einer so rasanten Verkieselung nur bei Kartoffeln beobachtet werden.

Die Verkieselung von Kartoffeln, auch Silifizierung genannt, kann nur stattfinden, wenn die Erde frei von künstlichem Dünger ist und dauert in der Natur sehr unterschiedlich lange, Prozesse von 5 Jahren bis 100 Jahren werden genannt.

Die im Museum zu besichtigende Kartoffel stammt von dem Demeter Hof Flegel in Kröte im Wendland gelegen und stellt ein besonders schönes Exemplar einer verkieselten Kartoffel dar.

 

Literatur:
E. F. Schlotheim, Beschreibung merkwürdiger Kräuter-Abdrücke und Pflanzen-Versteinerungen, Gotha 1804
Johann Mayersohn, Stein gewordene Knollen und deren Vorkommen, Heidelberg 1814
R. Tiemer, Was uns die Steine sagen, Stuttgart 1965
H. Müller-Frank, Als die Kontinente eine Einheit waren - der Urkontinent Gondwana, Berlin 1969
B. Lembke, Über die Schnellverkieselung von Kartoffeln, Hirschhorn, 199
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