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kuliDer wandernde Tintenkuli des Greifswalder Theologen Professor E. Dr. hc. Reinhold Winkler.

 

3. November 1957 Professor E. Dr. hc. Reinhold Winkler, (*1892 - † 1940) Theologe an der Universität von Greifwald schreibt mit einem Tintenkuli der Firma Rotring.

Ein Tintenkuli ist nicht zu verwechseln mit dem, was wir heute Kuli nennen, mit einem Kugelschreiber. Der Tintenkuli war ein Füllfederhalter mit Kolben, der aber zum Schreiben keinen traditionelle Feder hatte, sondern einen dünnes abgerundetes Röhrchen, die sogenanntes Röhrchenfeder, durch die die Tinte beim schreiben gleichmäßig fließt. Der große Vorteil war: Er kleckste nicht, und sein Schriftzug war immer gleichmäßig breit.

Der Tintenkuli wurde 1928 von der Firma Rotring auf den Markt gebracht und fand schnell eine große Verbreitung. Später in den 1960 -iger Jahren, als der Kugelschreiber seinen Siegeszug begann, bezeichnete man ihn, den Kugelschreiber, einfachheitshalber als Kuli. Dr. hc. Reinhold Winkler benütze seinen Tintenkuli sehr gern, nicht nur weil er ihm gut der Hand lag, er symbolisierte für ihn auch den Fortschritt. Er erzählte immer wieder, dass Galileo Galilei bereits Zeichnungen eines Schreibgeräte gemacht hatte, der wie ein Tintenkuli funktionierte. Seine unter Theologen viel beachte Schrift „Der Fortschritt- Das Geschenk Gottes“ schrieb dieser mit seinem Tintenkuli.

Nach seinem frühen unerwarteten Tod nahm seine Witwe,Viktoria Luise Winkler den Tintenroller an sich und zog nach Berlin. Während des Krieges und der Bombardierung von Berlin führte sie mit dem Tintenkuli ein Kriegstagebuch. Als sie eine Filmrolle in dem Film „Film ohne Titel“ annahm, unterschrieb sie den Vertrag mit ihrem Tintenkuli. Es war das letzten mal, dass sie ihn benutze.

Während der Dreharbeiten zu diesem Film suchte der Regisseur Rudolf Jugert dringend ein Schreibgerät für Willy Fritsch. Fritsch stellte einen Schauspieler dar, der sich Notizen machte. Luise Winkler stellte ihren Tintenkuli zu Verfügung - er wurde fortan zu einem Requisit des Films.

Alsbald wurde er von Angelika Rösch verwendet, die benutzte ihn, um in dem Film, als „große Dame“ zu erscheinen. Sie musste dieses Schreibgerät aber jedes mal vom Produzent und Drehbuchautor Helmut Käutner ausleihen, der inzwischen am liebsten mit dem Tintenkuli all seine Aufzeichnungen machte. Bei den Schnittarbeiten dieses Filmes mit dem etwas sperrigen Titel: „Film ohne Titel“ wanderte der Tintenkuli wortlos zu Wolfgang Wehrum, dem Schnittmeisters des Filmes.

Als die Deutsche Kinemathek in Berlin 2002 nach dem Tod von Hildegard Knef ihren persönlichen Nachlass übernahm, fand sich ein Tintenkuli der Firma Rotring, was sofort viel Aufmerksamkeit auf sich zog.

Der Filmhistoriker Dr. Martin Vielteil konnte die Geschichte des Tintenkuli recherchieren. Nur der Moment, wie er in den Besitz von Hildegard Knef kam, ist noch nicht klar nachgewiesen. Martin Vielteil vermutet, dass sie diesen von Wolfgang Wehrum bei einem Treffen auf der Berlinale 1960 geschenkt bekam. Vielleicht: ...

Er ist sich da uneins mit seinem Filmhistorikerkollegen Prof. Dr. Blindfuß, der aus einem Drehbericht in der allg. Dt. Filmillustrierten von 1956 die Information hatte, dass die Knef damit ihren Vertrag unterschrieben hätte. Dr.Vielteil hält das für eine Form von frühem Product-placement im Nachkriegsfilm. Hildegard Knef spielt die Bauerntocher die es nach Berlin verschlagen hat.

Literatur:
Kümmerle, Ruth: Im Netz der Hündin Laika, Belin 2001
Ämdler, Peggy: Der Tanz der Laika, Berlin 1999
Lümers, Inge: Das Tier im Orbit, London, 1974
Bures, Mikel: Fallstudie zur Staatskunst 1959-1965, New York 1973
Wassilij Lunin: Die Spuren des Geglückten, Moskau 1972