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altbrunnenVom Brunnen des Lebens

Über das neu entschlüsselte Unterbild (Pentimento) des viel beachteten und berühmten Bildes „Der Jungbrunnen“ von Cranach dem Älteren.

Für Sandra Kuttner

 

Als am 26. 2. 2011 gegen 12 Uhr Mittag die neuesten Ergebnisse der Suche nach einem Unterbild, des berühmten Gemäldes „Der Jungbrunnen“, präsentiert wurden, staunte das eingeladene Fachpublikum nicht schlecht. Vor dem sichtbaren Originalbild in der Gemäldegalerie zu Berlin wurde das bisher unsichtbare, nun sichtbar gemachte Unterbild erstmals gezeigt und über dessen Entstehungsgeschichte und Entdeckung referiert.

Das Unterbild des Gemäldes „Der Jungbrunnen“ wurde in der Strahlenabteilung des Klinikum Charité aufwendig mit verschiedenen Bild gebenden Verfahren wie Computertomografie, Massen-spektrometrie, O2-Verfallsanalysen etc., untersucht und es konnte ein genaues, scharfes, farbiges Bild des Übermalten dargestellt werden.
Das verborgene Unterbild zeigt genau das Gegenteil des sichtbaren Bildes. Es zeigt den Prozess des Alterns, das Leben. Auf diesem Bild werden nicht mehr alte Frauen in dem Brunnen verjüngt, sondern junge Frauen steigen rechts in das Brunnenbecken ein, um als reife oder alte Frauen aus der linken Seite des Brunnes zu treten.

Die Erzählung des Gemäldes ist von rechts nach links aufgebaut, um aufzuzeigen, wie das Werden und Vergehen des Lebens wahrgenommen wird. Denn von links nach rechts, wie es unseren Sehgewohnheiten entspricht, also vom Alter in die Jugend kann gesehen werden, aber von rechts, vom Jungsein, in das Alter, nach links, was unseren Sehgewohnheiten eben diametral widerspricht, kann nicht gesehen werden. Das Alter links sieht aufgrund gelebter jahrelanger Erfahrung, wie das früher, also rechts, war, aber damals, als man jung war, wusste man selbst nicht, wie das später im Alter sein würde, sein könnte. Es gibt immer nur den Blick zurück, nicht den voraus. Der Blick in die Zukunft, nach links, ist einem jeden immerfort versperrt.

An dem Aufbau des Unterbildes kann man sehen, wie stark Cranach d. Ä. in jenen Jahren sich mit dem Alter, mit dem Leben beschäftigte. Auch die Aufschrift auf der Rückseite des Bildes wird einem mit dieser Sichtweise verständlich. Es steht dort von ihm geschrieben:

Bei jungem Brot wird man schnell rot
Beim reifem Brot wird man erst satt
Das alte Brot winkt mit dem Tod
.“

Auch die Aussprüche des Meisters aus jenen Jahren von seinen Gehilfen überliefert versteht man nun in einem neuen Licht: „Er will die Nackten nicht mehr malen, er will nun nur malen ein Bild des Alters.“, „Das Leben fängt jung an und endet faltig, da ist nichts daran zu rütteln“ oder „Das Altern zu malen will ich versuchen, ein großer Weg das Leben“.

Auch seine persönlichen Daten deuten auf eine Auseinandersetzung mit dem Alter und dem Tod. Seine Frau, mit der er fünf Kinder hatte, verstarb einige Jahre vor der Entstehung des Gemäldes, 1544 gab er sein Amt als stellvertretender Bürgermeister ab, und sein Freund, der Reformator Martin Luther, dessen Trauzeuge er war, verstarb im Frühjahr dieses Jahres. So ist es verständlich, dass Cranach d. Ä. im Jahre 1546 viel über das Leben, das Älterwerden und das Sterben grübelte und ein dementsprechendes Bild malte.

Sein Kurfürst und Herzog Johann Friedrich I. von Sachsen rügte Cranach d. Ä. bei der ersten Präsentation des Bildes. „...neu male Er sein garstig Bild, dies will Ich nicht noch mal sehen, weg gehe Er damit“, ist sein protokollierter Aufschrei. Nun ist auch dieser Spruch des Herzogs erklärbar, der bis heute rätselhaft blieb.

So musste Cranach d. Ä. das Bild übermalen, ein echtes Pentimento, ein Reuebild. Er malte das „Bild des Lebens“ zum „Der Jungbrunnen“ um. Cranach d. Ä. war es gewohnt, Bilder nach dem Geschmack des Auftraggebers zu malen, auch umzumalen. Es muss ihn aber diesmal so verärgert haben, dass er nach diesem Bild nie mehr ein profanes Motiv malte, nach dem Bild „Der Jungbrunnen“ sind nur noch Altarbilder aus seiner Werkstatt erhalten.

Auf dem Gemälde „Der Jungbrunnen“ hinterließ Cranach d. Ä. aber einige Hinweise, die jetzt mit der Entdeckung des Unterbildes erst verstanden werden. Venus und Amor in der Mitte des Bildes sind nicht nur Liebesgötter, Venus ist auch die Verwalterin der Todeslisten, und Amor der Gott für die Selbstliebe, für das infantile Selbstverliebtsein in die Vorstellung des ewigen Lebens. Auch die dem Verjüngungsprozess entfliehende Frau, im rechten oberen Becken, die sich mit Abscheu abwendet, kann jetzt mit dem Wissen des Unterbildes besser verstanden werden, wie auch jene Frau, die überredet werden muss, im Becken zu bleiben und sich der Verjüngung zu unterziehen.
Mit der Entdeckung des „Brunnen des Lebens“ wie das Unterbild nun genannt wird, ist eine ganz neue Ära der Cranach d. Ä.-Forschung eingeläutet.


Literatur:
Sandra Kuttner, Die Bedeutung des Jungbrunnen im Laufe des Lebens. Berlin 2011
Timor Tinglan, Sensation des Cranach d. Ä., Zeitungsbeilage, Frankfurt 2011
Friederike Thomas, Pentimento. Das immer Unbekannte untern dem Oberen. Stralsund 2010.
Meike Mentjes, Schicht für Schicht. Das Schöne der Entdeckung. Berlin 2009
Robert Smutje, Die Erkenntniskraft der Stahlen, Stuttgart 2009
Georg Simmel, Was Jungbrunnen von uns verraten, München 1978
Hiltrud Himbeer, Der infantile Wunsch. Das ewigen Leben. Stuttgart, 1996