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callotDie Geschichte der Callot-Figuren von Wiepersdorf

 

Zum Wesen eines Schlosses gehören die Geheimnisse, die Schlosslegenden, Schlossgespenster, denn jedes Schloss birgt das Verschwiegene. Neben den vielen zugänglichen Zimmern gibt es immer die unzugänglichen, die Parks, die Schlossweiher, auf deren Grund immer die Leichen modern, die großen, verstaubten Böden unter den Dächern, in deren Regalen die ängstlich behüteten Mumien lagern, die unzugänglichen, unübersichtlichen Ecken, aus denen oftmals ein Geächze zu hören ist. Dies alles trägt in sich das Verborgene, und das Verborgene ist der Träger des Geheimnisses. Ein Geheimnis des Schlosses zu Wiepersdorf sind seine fünf Callot-Figuren, denn deren Ursprung liegt im Unbekannten, im Verborgenen, im Nichtwissen.

Jedem Besucher, jeder Besucherin des Schlossparks zu Wiepersdorf fallen sie auf, die fünf im Halbrund stehenden Figuren verwachsener, zwergenhafter Menschen, Gnome, zwei weiblichen, drei männlichen Geschlechts. Die Herkunft dieser Figuren ist bis heute völlig ungeklärt, bekannt ist nur, dass der Maler Achim von Arnim-Bärwalde, der dem Schloss das heutige Gesicht gab, nicht nur Historienmaler, sondern auch Skulpturensammler war und neben den italienischen Barockfiguren, deren Herkunft durch zahlreiche Briefe belegt ist, auch diese fünf Callot-Figuren aufstellen ließ.

Callot-Figuren, genannt nach dem großen französischen Zeichner und Radierer Jacques Callot (1592-1635). Jacques Callot revolutionierte durch neu entwickelte Techniken die Radierkunst und führte sie zu einer eigenständigen Kunstform. Er war es, der als erster die Grausamkeiten eines Krieges, des Dreißigjährigen Krieges, in eindrucksvollen, realistischen, schockierenden Darstellungen abbildete. 1616 bei einem Aufenthalt am toskanischen Hof von Cosimo II, bei dem er als Hofkünstler verpflichtet war, entstanden die später berühmt gewordenen 20 Stiche "Varie figure gobbi" (ital. Gobbo - Buckel), Zeichnungen von zwergenhaften Krüppeln, Dudelsack blasend, fechtend, raufend etc.

Hundert Jahre später, als der Barock sich immer mehr verfeinerte, sich dem Rokoko näherte, wurden diese Stiche von verwachsenen, grotesken Zwergen als Vorlage benutzt, um Skulpturen herzustellen. Die Callot-Stiche wurden dreidimensional umgesetzt . Diese Figuren, die man immer Callot-Figuren nannte, wurden zu einer modischen Erscheinung. Jedes Schloss, das etwas auf sich hielt, wollte welche haben, in jeder Parkanlage sollten solch groteske Figuren stehen. Auf dem Schloss Weikersheim im Fränkischen sind noch über 20 Figuren erhalten, die allegorisch Tugenden darstellen. Nachgeahmte Callot-Figuren gibt es auch in Kremsmünster, in Gleink, St. Pölten, Griellenstein, Schloß Neuwaldegg, Neustadt an der Mettau, um nur einige Orte zu nennen. Eine der heute bekanntesten pittoresken Figurengruppe sind die 28 ca. 1.30 m großen Figuren, die der in Mailand geborene Erzbischof Franz Anton Fürst von Harrach (1665-1727) im Salzburger Mirabellgarten aufstellen ließ, sie werden als die ersten Figuren dieser Art vermutet.

Es verhält sich mit diesen Figuren sehr ähnlich wie mit den ca. 200 Jahre später entstandenen Nierentischen, von denen man auch nicht weiß, wer sie entworfen hat, welcher der erste Nierentisch war. Sie waren plötzlich da, verbreiteten sich in allen Wohnungen und ver­schwanden wieder. Ganz ähnlich die Callot-Figuren, auch sie entstanden, erfreuten sich einer großen Beliebtheit und verschwanden nach ausgedienter Zeit, wobei man als Urheber der Figuren nur den Zeitgeschmack ausmachen kann.

In der weiteren Entwicklung der Callot-Figuren wurden die Verwachsungen immer weniger, es entstanden einfache Zwergenfiguren. 1744 wurden in einer Wiener Porzellanmanufaktur die ersten Porzellanzwerge hergestellt und schon 50 Jahre später wurden von der Firma Derba in England die ersten Gartenzwerge in Serie gefertigt und zehn Jahre später tauchten bei den Zwergen die heute so beliebten phallischen Zipfelmützen auf.

Die berühmteste Ansammlung von Callot-Figuren des Barock standen am Schloss Kuks oder Kukus in Ostböhmen. Am dortigen Rennplatz am Elbufer versammelten sich über 40 Zwergenfiguren und begleiteten den Besucher auf seinem Weg zu dem etwas höhergelegenen Spital und wurden dort von großen, römischen allegorischen Skulpturen über Tugend, Leichtfertigkeit, Verzweiflung, Liebe Unzucht etc. abgelöst.

Das Spital Kuks wurde 1692 von Franz Anton Graf von Sporck (1662 - 1738), einer der ersten Frühaufklärer, gegründet. Dieses Spital spezialisierte sich auf die sich immer mehr ausbreitende "Französische Krankheit" oder "Galante Krankheit", wie sie Casanova nannte. Casanova selbst hielt sich zwei Mal in dieser Spezialklinik für einige Monate zur Kur auf.

Die Callot-Figuren von Kuks waren das Gespräch an allen Höfen Europas, weil einige nicht nur die beliebten Verwachsungen Kleinwüchsiger darstellten, sondern obszön ihre Geschlechtlichkeit betonten und darboten. Zwerge mit übergroßen Gliedern, Frauen mit heraushängenden, üppigen Brüsten, mit verlockend eindeutigen Stellungen und Figuren, deren Hintern unbedeckt waren. Diese Darstellungen sollten die Freuden und Prallheit der Sinnlichkeit vorführen, aber auch ermahnen, dass eine zügellose Hingabe an die Freuden des Leibes zu den Erkrankungen führte, die der Grund des Aufenthalts in diesem Spital waren.

1740, im August, kam es an der Elbe zu einem Hochwasser nie da gewesenen Ausmaßes. 15 Häuser des Dorfes wurden von den gewaltigen Wassermassen weggeschwemmt, der gesamte Rennplatz in die Elbe gespült, und das Schloss wurde so stark beschädigt, dass alle späteren Versuche, es zu reparieren und instandzusetzen, misslangen, so dass es 1901 vollkommen abgerissen wurde. Von den Callot-Figuren blieben nur zwei in der Nähe des Spitals stehen, der Rest verschwand in den Wassermassen der Elbe.

An den Höfen Europas sprach man lange von dieser Katastrophe und bedauerte insbesondere das Verschwinden der kleinen, pittoresken Zwergenfiguren. Die Aufräumarbeiten dauerten Jahre.

1755 wurden von einem dubiosen böhmischen Skulpturenhändler mit dem Namen Luthwer Webker (1712 - 1764) unter vorgehaltener Hand Callot-Figuren angeboten. Wer sich diese illegal angebotenen Figuren beschreiben ließ, erkannte sofort, dass es sich um die Figuren aus Kuks handeln musste. Dieser Skulpturenhändler zahlte Bauern und Fischern der Elbe viel Geld, wenn sie angeschwemmte, gefundene Figuren ihm überließen.

Das Problem des Händlers war aber, dass als Abnehmer nur Höfe in Frage kamen, aber diese die Figuren kannten und es grundsätzlich als sehr unschick galt, ja als Frevel, solch illegalen Käufe zu betätigen. Wäre die Herkunft der Skulpturen Italien oder Griechenland gewesen, hätte dies kein Problem dargestellt, aber an mitteleuropäischen Höfen galt es als nicht erwünscht, als verpönt, dass man von dort Gestohlenes oder sonst wie illegal Besorgtes bei sich zu Hause aufstellte. Der Bayrische Kurfürst Maximilian III Joseph (1727-1777), der Gute genannt, der in Bayern 1771 als erstes deutsches Land die allgemeine Schulpflicht einführte, kam einmal in den Verdacht, eine illegitime Amorskulptur aus dem Schlosse Schönbrunn in Wien in seinem Schloss Nymphenburg in München aufgestellt zu haben. Obwohl Experten dies sofort widerlegten und nur eine vage Ähnlichkeit bescheinigten, blieb das Gerücht an ihm haften, so dass er einige Jahre von wichtigen Bällen ausgeschlossen blieb. Wenn man aber einmal eine große Gier auf solch ein unredliches Schmuckstück verspürte und dieser Gier unterlag, musste man ein solches Stück heimlich, wohlverhüllt und versteckt aufbewahren, dass es die Öffentlichkeit nicht zu Gesicht bekam.

So beauftragte der Sächsische Kurfürst August II (1676-1763), König der Polen, der Starke genannt, seinen Baumeister Friedrich Borm, verborgen und anonym die angebotenen Callot-Figuren einzukaufen, aber so, dass nie und nimmer ein Gerücht aufkommen könne, die Figuren befänden sich in Sachsen. Über Mittelsmänner und in nicht offenen Operationen wurden sieben vollkommen erhaltene Figuren auf das Schloss Pillnitz in ein dort schwer zugängliches Kellerverlies verbracht. Zwei Figuren waren aus der Reihe der Frivolen. Bei vielen Aufenthalten auf Schloss Pillnitz ließ sich Kurfürst August II, der Starke, zu den Figuren führen und wenn er den Raum wieder verließ, verabschiedete er sich immer bei einer neben der Türe stehenden weiblichen Figur, indem er sie bei der Nase packte. Bei einer dieser Besuche brach die Nase ab, er steckte sie in seine Tasche. Diese Nase sollte seitdem seine ständige Begleiterin werden. Es wird berichtet, dass der Kurfürst bei schwierigen Verhandlungen immer wieder diese seine Steinnase aus der Tasche zog, vor sich hin legte und sagte: "Für diese Entscheidung muss man eine gute Nase haben." Dieser Ausspruch "eine gute Nase haben" ging im Laufe der Zeit als Redensart in die deutsche Sprache ein. Diese Steinnase ist noch heute im Kurfürstlichen Nachlass im Landesarchiv Sachsen in Dresden zu besichtigen.

In der gleichen Weise, wie sich das aufstrebende Bürgertum ausbreitete und bei sich verniedlichte Zwergenfiguren aufstellte, nahm das Interesse an den mitteleuropäischen Höfen an diesen Figuren ab, man betrachtete sie nur noch als eine amüsante Spielart vergangener Zeit.

1870 wurde das Schloss Pillnitz erweitert, das Ringrenngebäude zur Orangerie umgebaut und dabei wurden 1876 die eingelagerten und vergessenen Callot-Figuren aus dem Schlosse Kuks wiedergefunden. Man erinnerte sich schnell an die Herkunft der Figuren und wollte sie unter keinen Umständen in Pillnitz aufstellen, da ihre Herkunft noch immer einen Schatten auf den Sächsischen Hof werfen könnte. Sie zu zerstören oder sie erneut der Elbe zurückzugeben, scheute man sich, so suchte man dezent nach einem Abnehmer der Figuren.

Am Sächsischen Hof erfuhr man, dass ein Achim von Arnim-Bärwalde von seiner Stiefmutter, eine begüterte von Brentano, ein beachtliches Erbe bekommen hatte und dass dieser sein Gut Wiepersdorf zu seinem Schlösschen umbauen wollte. Dieser Achim von Arnim-Bärwalde, ein gelernter Historienmaler, reiste durch Italien und kaufte Vasen und Statuen, um seinem Schloss ein barockes Aussehen zu verleihen.

Achim von Arnim-Bärwalde bot man diese Figurengruppe nun an, aber mit der strengen Auflage, nie die Herkunft der Figuren preiszugeben. Es wurde kein schriftlicher Vertrag abgeschlossen. Dieser Umstand ermöglichte es ihm, die Figuren zu einem besonders günstigen Preis zu erstehen. Zur Sicherheit ließ man in Sachsen die Figuren von einem einheimischen Steinmetz leicht überarbeiten.

1881 wurden diese Figuren in Wiepersdorf angeliefert. Freiherr Achim von Arnim-Bärwalde stellte die sieben Figuren vor seinem Atelierfenster auf, so dass er sie immer im Blick hatte. Die fehlende Damennase ließ er sofort richten, aber auch bei ihm brach sie mehrmals ab, denn er hatte die Angewohnheit angenommen, immer wieder zu prüfen, ob sie noch hielt und rüttelte so lange daran, bis sie wieder und wieder abbrach.

Dass Achim von Arnim-Bärwalde über die Herkunft der Figuren ein Geheimnis machen musste, war ihm sehr recht, so antwortete er auf die Frage, woher er diese auffälligen Zwerge habe, sie seien von einer seiner vielen Italienreisen, das andere Mal wiederum erzählte er, er habe sie aus dem Oberösterreichischen bekommen. Bis heute schwirren diese zwei unwahren Variationen über die Herkunft der Callot-Figuren in Wiepersdorf durch die Literatur.

Diese Figuren hatten für Achim von Arnim-Bärwalde eine große Bedeutung. In einem Brief an Frau v. Gudengut schreibt er am 12. 5. 1884: ".nun hab ich sie, meine Sieben. Meine Großmutter Bettina erzählte mir oft als Kind, dass ihr Mann, mein Großvater, von dem ich meinen Namen bekam, in seiner Kindheit auf dem Schloss Zernikow mit dergleichen Figuren aufwuchs, diese ihn aber immer schauderten und dass es gerade sieben Zwerge sind, lässt mich immer wieder daran erinnern, wie eng unsere Familie mit Jakob und Wilhelm Grimm befreundet war. Letztlich erst besuchte ich ihr Grab auf dem St. Mathäus Kirchhof. In der dort neu angelegten Straße wird auch schon heftig gebaut."

1883 ließ sich Achim von Arnim-Bärwalde von dem am Preußischen Hof hochverehrten und protegierten Bildhauer Reinhold Begas (1831-1911), dem letzten Schüler Christian Daniel Rauchs (1777-1857), ca. 24 cm große Miniaturen seiner sieben Zwergenfiguren anfertigen. Reinhold Begas schien ihm dazu am geeignetsten zu sein, da unter ihm die Wiederbelebung des Barocks zu ungeahnter Blüte aufstieg. Achim von Arnim-Bärwalde ließ seine Figuren "nackt" anfertigen, da er sie selbst bemalen wollte.

In einem Brief an Freifrau von Brüttel schreibt er: "Prof. Begas hauchte jedem der Kleinen so viel eigenes Leben ein, dass sie nicht als Kopien erscheinen, es sind selbstständige, kleine Wesen.", etwas weiter im selbigen Brief: "Aus dem Nachlass des genialen Chemikalienforschers Friedhelm Ferdinand Runge aus Oranienburg (1794-1867) konnte ich spezielle, künstlich hergestellte Farben bekommen, die mir geeignet erschienen, meine sieben Zwerge anzumalen..."

Im Juli 1884 wurden die ersten Figuren bemalt. Die Frivole war die erste Figur, die ihre "Nacktheit" verlor. Die fertig bemalten Figuren werden in vielen Briefen von Besuchern des Schlosses Wiepersdorf emphatisch beschrieben.

1891, nach dem Tod Achim von Arnim-Bärwaldes, übernahm sein Vetter Erwin von Arnim das Schloss Wiepersdorf. Das erste, was er tat: Er ließ die große "Anzügliche", wie er sie nannte, abbauen und verschwinden. Ihn störte, dass eine solch obszöne Figur in der Nähe der Kirche stand. Wohin die "Anzügliche" verschwand, ist bis heute nicht ganz geklärt. Es gibt glaubhafte Hinweise, dass sie im Schlossteich liegt. 1912, bei einer Suche nach einem vermissten Kind, stocherte man mit langen Stangen den Teich ab und es wird berichtet, dass man an einer Stelle, ziemlich tief im Schlamm, auf einen harten Gegenstand stieß. Die Suchaktion wurde abgebrochen, da das Kind, ein 12-jähriges Mädchen, wohlbehalten auftauchte, es war bei einer Tante im Nachbarort Merzdorf gewesen.

Die im Atelier stehenden sieben kleinen Callot-Figuren blieben stehen. Sie standen bis 1945 im Atelierzimmer, das als Empfangs- und Festsaal benutzt wurde. Frau T., die als Dienstmädchen von 1939 bis 1989 im Schloss Wiepersdorf arbeitete, 1992 in einem Gespräch mit Vera Nolte: "...Die kleinen Figuren im Saal fand ich immer sehr niedlich, die großen im Garten mochte ich weniger. Die großen waren früher sechs, später fünf, die kleinen immer sieben. Die Kleine mit der großen nackigen Brust musste ich öfters zur Seite stellen, wenn Besuch kam. Ich hörte auch einmal ein Gespräch der Clara von Arnim mit ihrem Mann Friedemund, der der Schlossherr war, in dem gesagt wurde, dass man die Figuren ganz weg stellen sollte. Frau von Arnim beharrte aber darauf, dass alle Figuren zusammen blieben, dann müsse man eben, wenn empfindlicher Besuch käme, sie wie bisher zur Seite stellen. Die andere Figur mit dem nackigen Hintern stand sowieso vor einem Vorhang, so dass man sie von hinten gar nicht sehen konnte. Die Figur, die weggestellt wurde, kam immer in die große Ententerrine, die im großen, gläsernen Schrank stand. In dieser Terrine lagen viele Lappen, damit nichts beschädigt wurde".

1945 wurde das Schloss arg geplündert, es diente zeitweilig als russische Kommandantur und wurde dann zum Abriss freigegeben. Kurz vor der Ausführung des Abrisses, 1946, wurde die neugegründete "Dichterstiftung e.V." Besitzerin und der Abriss aufgehoben. Bei der Sichtung des Gebäudes wurde unter anderm festgestellt, dass nicht nur viele Handschriften verschwunden, sondern auch die sieben kleinen Figuren abhanden gekommen waren. Die großen lagen umgestürzt im Park.

Die sieben kleinen Figuren standen bis 1957 im Offiziers-Casino der Roten Armee in Jüterbog und wurden 1964 in das Haus der Offiziere nach Wünsdorf überführt, wo sie bis 1994 in einem Raum für Kunst standen. Mit dem Abzug der Roten Armee aus Wünsdorf wurden diese Figuren nach Serov an den äußeren Ostrand des Urals gebracht, wo sie sich heute in dem dortigen Militärmuseum großer Beliebtheit erfreuen. Da Militär-Kunstschätze ausdrücklich bei den Verhandlungen über Beutekunst ausgenommen sind, ist eine Rückführung ausgeschlossen.

Die verbliebenen 6 großen Callot-Figuren inspirierten immer wieder die Schriftsteller, die im Schloss Erholung und Ruhe für ihre Arbeit suchten. So bezieht sich die Zeile Sarah Kirschs in ihrem Gedicht " Wiepersdorf " : "Die Steinbilder lächeln - ich ging" direkt auf die Callot-Figuren. Bei Anna Seghers, die ein ständig reserviertes Zimmer im Schloss besaß, heißt es in der 1975 veröffentlichten Erzählung "Steinzeit": "6 Steinzwerge standen da. Der eine hässlicher als der andere. Einer hatte sogar die Hose herunter, welch ein lächerlicher Anblick." Auch wenn die Handlung in Mexiko angesiedelt ist, bezieht sich diese Stelle direkt auf den Wiepersdorfer Zwerg mit dem nackten Hintern.

Bei der Generalrenovierung des Schlosses zwischen 1974 und 1980 wurden sämtliche Figuren einschließlich der Zwergenfiguren nach Berlin zur Rekonstruktion gebracht. Das Außenhandelsimperium von Schalck-Golodkowski wurde darauf aufmerksam und bei einer Inspektion wurde die Zwergenfigur mit dem entblößten Hintern eingezogen. Man versprach sich von ihr einen besonders guten Preis, denn sie stellte eine Rarität dar. Sie wurde 1978 in den Westen verkauft und stand von 1980 bis 1992 im Vorgarten eines Bungalows in Böblingen und ist seit 1992 im privat finanzierten BESM (Böblinger Erotisches Skulpturen-Museum) zu sehen. Die restlichen fünf Figuren wurden wieder an ihren Ursprungsort zurückgebracht und stehen heute wie zu Achim von Arnims Zeiten unter dem Atelierfenster und animieren viele heutige Stipendiaten und Besucher des Schlosses, die Frage nach ihrer Herkunft zu stellen.

Die sich wahrscheinlich im Schlossweiher befindliche Frauenzwergenfigur harrt noch ihrer Bergung.

 

Literatur:
P. Löffler: Jacques Callot . Versuch einer Deutung. Winterthur 1958.
G. Kahan: Jacques Callot. Artist of the Theater. Athen 1976.
J. Kleinlich: Zwerge auf dem Vormarsch. Marburg 1987.
W. Andik: Zusammen mit der Roten Armee. Jüterbog 1989.
Mitteilungen des Sächsischen Landesarchivs. Dresden 2000.
M. Heibner: Zeitsprünge. Vorträge und Abhandlungen. Wolfsburg 1995. nach: H. RADEMACHER: Akute Literatur. Berlin 2003.
H. Petzold: Das Geheime Wiepersdorf. Magdeburg 2004.
D. Sossenheimer (Hg.): Schloss Wiepersdorf. Göttingen 1997.
Sarah Kirsch: Katzenkopfpflaster. Gedichte. München. 1978.
Anna Seghers: Erzählungen 1963-1977., Berlin/Weimar 1977.
M. Feitag: Runge. Berlin 2003.
G. B. Hanke: Theatrum Fagi. Náchod 2002.