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ahoiDer Bettler an der Hudson Street

Zu einem Film von Günter Eisenhardt

 

Bereits nach der ersten Sendung am Nachmittag des 24. Dezember 1978 meldeten alle Nachrichtensender des Landes, dass der New Yorker Fernsehsender NYN einige der erschütterndsten Bilder ausgestrahlt habe, die die Nation je sah, einen mit einer verdeckten Kamera von G. Eisenhardt aufgenommenen Film. Dieser Film wurde an den folgenden Weihnachtstagen mehrmals wiederholt. Ein 20-minütiger Film ohne Kommentar und Musik, ohne O-Ton. Die sachlich kühlen einführenden Worte des Moderators waren nur: "Wir zeigen Ihnen nun Bilder aus New York".

Die Einschaltquoten wurden die höchsten in der Geschichte des Senders, der sich 1999 wegen verheerenden Missmanagements der Geschäftsführung auflöste. Die Webeeinnahmen erhöhten sich nach der Sendung dieser erschütternden Bilder sofort. Es gibt wohl keine US-Fernsehgesellschaft, die diesen Film nicht übernahm. Der Bürgermeister von New York hielt bereits am 27.12. eine Pressekonferenz über das Problem der Obdachlosen in New York ab, auf der er die Bevölkerung aufrief, sich mehr um die Obdachlosen, um die sozial Ausgegrenzten zu kümmern und versprach, einen Obdachlosen für eine Woche bei sich zu Hause aufzunehmen. Der Präsident der Vereinigen Staaten, Jimmy Carter, widmete in seiner umgeschriebenen und neu aufgezeichneten Neujahrsansprache für das Jahr 1979 vier Sätze dem Problem der Obdachlosen. Die gesamte Rede war sehr stark von der Idee der sozialen Gerechtigkeit, der Idee einer sozialen Gesellschaft durchzogen.

Die ganze politische Klasse des Landes reagierte sofort, man wollte verhindern, dass die sehr starke liberale Bürgerrechtsbewegung sich dieses Problemfeldes bemächtigte. Kommentatoren verglichen die Wirkung des 20-minütigen Filmes, dieser machtvollen, starken Bilder mit dem großen Armutsbericht der 60er-Jahre, der zu unzähligen, bis heute aktiven Armenküchen führte. Im ganzen Land wurden während der Jahreswende im Jahr 1978/79 Obdachlosenverbände gegründet, Obdachlosenpatenschaften vermittelt und Obdachlosenheime eröffnet.

Verschiedenste, auch verwegene Hilfsangebote wurden unterbreitet. So schlug ein Mr. Blyrie, Ölmillionär aus Texas, vor, die Obdachlosen des Nordens in den Wintermonaten in die wärmeren Südstaaten auszufliegen und sie im Frühjahr mitsamt den Obdachlosen aus den Südstaaten zurückzufliegen, so könne dann das Problem gerecht und sozial auf das gesamte Land verteilt werden. Er handelte sofort und charterte eine Maschine, die 5 Tage auf dem New Yorker Flughafen John-F.-Kennedy auf abflugbereite Obdachlose wartete. Die zwei, die sich meldeten, waren getarnte Journalisten, die eine große Story haben wollten.

Langfristig führten die Aktivitäten, die dieser Film auslöste, zur Gründung eines landesweiten Obdachlosenhilfevereins, der sich jedes Jahr um die Weihnachtszeit um Obdachlose kümmert, Patenschaften vermittelt und am Heiligen Abend Obdachlose mit gespendeten Paketen versorgt. Der hier gefilmte Mann konnte nie identifiziert werden, trotz diverser Aufrufe und Suchaktionen. Er wurde von niemandem erkannt und meldete sich nicht freiwillig. Die 7.335,67 $, die ihm aus den Filmrechten zugestanden hätten, spendete man im Jahre 1984 an den Obdachlosenhilfeverein.